Gutscheinkarten und virtuelle Geldbörsen (Wallets) sind nach wie vor ein beliebtes Kundenbindungsinstrument im Handel - geraten aber zunehmend ins Visier der Finanzaufsicht. Gerichtsurteile und vermehrte Abmahnungen durch Wettbewerber stellen viele bestehende Modelle in Frage. Insbesondere die Abgrenzung zu erlaubnispflichtigen Finanzdienstleistungen sorgt für Unsicherheit. Wer Bußgelder und rechtliche Risiken vermeiden will, sollte jetzt genau hinschauen.
Der Fall Jochen Schweizer Mydays als Weckruf für die Branche
Wie ernst Verstöße gegen die BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) genommen werden, zeigt der Fall der Jochen Schweizer Mydays Gruppe. Das Unternehmen hatte über Jahre hinweg Gutscheine ohne die erforderliche Erlaubnis der BaFin ausgegeben. Im Geschäftsbericht 2023 des Mutterkonzerns ProSiebenSat.1 wurde dies als „Sachverhalt Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz“ bezeichnet - mit der Folge, dass das Testat vorübergehend verweigert wurde. Nach einem Vergleich mit dem Landgericht München und der Staatsanwaltschaft musste das Unternehmen ein Bußgeld in Millionenhöhe zahlen und passte in der Folge sein Geschäftsmodell an.
Gutschein oder Bezahldienst? Die Übergänge sind fließend
Problematisch wird es, wenn Gutscheine und virtuelle Geldbörsen in Struktur und Funktion E-Geld ähneln oder bei der Einlösung regulierte Zahlungsdienste ausgelöst werden. In diesen Fällen ist eine Erlaubnis der BaFin erforderlich. Fehlt diese, drohen neben Bußgeldern für das Unternehmen auch strafrechtliche Konsequenzen für die Geschäftsleitung. Eine frühzeitige und fundierte rechtliche Prüfung ist daher unerlässlich.
Bereichsausnahmen: Nur bei enger Auslegung rechtssicher
Viele Anbieter berufen sich auf so genannte Bereichsausnahmen - etwa die „Limited Loop“-Ausnahme (z.B. Gutscheine für bestimmte Regionen oder einzelne Orte wie Stadien) oder die „Limited Range“-Ausnahme (z.B. für funktional zusammenhängende Leistungen wie Tank- oder Wellnessgutscheine). Die Voraussetzungen sind allerdings eng gefasst: Aufladbare Karten dürfen beispielsweise ein monatliches Zahlungsvolumen von 250 Euro nicht überschreiten. Die BaFin hat hierzu klare Vorgaben veröffentlicht - unter anderem in Form von präzisen Merkblättern.
Regulierungsreform im Blick
Mit der geplanten Überarbeitung der Zahlungsdiensterichtlinie (PSD3) und der neuen EU-Zahlungsdiensteverordnung sind weitere Änderungen zu erwarten. Während Limited Loop und Limited Range voraussichtlich erhalten bleiben, steht die Handelsvertreterausnahme zur Diskussion. Auch die Meldepflichten könnten verschärft werden. Unternehmen sollten die Entwicklungen aufmerksam verfolgen.
Fazit: Rechtssicherheit aktiv gestalten
Die aktuelle Rechtslage und die zunehmenden Abmahnungen zeigen: Handelsunternehmen müssen ihre Gutscheinmodelle sorgfältig prüfen und rechtlich sauber ausgestalten - idealerweise in enger Abstimmung mit der BaFin. Wer rechtzeitig handelt, schützt sich vor unliebsamen Überraschungen und kostspieligen Folgen.
BaFin: Merkblatt - Hinweise zum Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) & Auszüge aus dem BaFin-Merkblatt „Hinweise zum Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG)“
